Statt Zahlen: Konkrete Beispiele, was die angedrohten Kürzungen ab Januar 2025 für einzelne akteur*innen der Berliner Kultur bedeuten.
Atelierraumprogramm, Atelier 613 Berlin-Wedding, Eva Niemann
Ich werde kein Atelier mehr haben. Meine gesamte Existenz ist bedroht.
Durch die Einsparungen werden der Kunst die Wurzeln gekappt. Bisher gering verdienende Künstlerinnen und Künstler haben dann keine Verdienstmöglichkeiten mehr. Die meisten von ihnen werden in den sozialen Systemen landen und dort für enorme Folgekosten sorgen. Das Atelierprogramm wurde einst von Künstlerinnen und Künstlern begründet, Atelierstandorte wurden von ihnen selbst erschlossen und lange vor Spekulation bewahrt.
Ich fordere daher den Regierenden Bürgermeister und den Kultursenator auf, sich im Bund für einen Mietendeckel auch für Gewerberäume einzusetzen. Dies würde allen kleineren Gewerbetreibenden und letztlich dem Senat selber helfen. Weitere Maßnahmen wären eine Anhebung der Spekulationssteuer und der Grunderwerbssteuer.
Büro für Kunst im öffentlichen Raum, Kulturwerk des bbk berlin
Kürzung des Haushaltstitels 81278 Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum um 73 Prozent. Konkret bedeutet das die Verschiebung und möglicherweise sogar den Abbruch von Ausschreibungen/Wettbewerben für Kunst im Stadtraum, daraus folgen der Verlust von Beteiligungsmöglichkeiten und Einkommensausfälle für Künstler*innen. Insgesamt kommt dies einer Liquidierung der maßnahmeungebundenen Kunst im Stadtraum Projekte im gesamten Land Berlin gleich.
Die beabsichtigte 73 Prozent Kürzung für „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“ (Haushaltstitel 81278) und die verbleibenden 100.000 Euro entlarven das Gerede von der Kunstmetropole Berlin als potemkinsches Stadtmarketing und als kümmerliche Propaganda. Wenn Kunst und Kultur ausstrahlen sollen, dann muss der eh bescheidene Jahresansatz für Kunst im Stadtraum multipliziert werden.
Mit der geplanten Kürzung stürzt Berlin auf Kleinstadtniveau ab: Wo München, Wien, Paris und selbst Düsseldorf (Jahresansatz 650.000 Euro) klotzen, kleckert Berlin nun nur noch mit 100.000 Euro hinterher – und das soll für die ganze Stadt und für 12 Bezirke reichen? Das kommt einer Einstellung der maßnahmeungebundenen Kunst im öffentlichen Raum gleich. Dieser „Konsolidierungsbeitrag“ des Haushaltstitels 81278 „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“ mit seiner Kürzung von 73 Prozent liquidiert anstatt den Bestand zu sichern.
Clubs LARK & Fitzroy
Wir bitten um vernünftige Entscheidungen, wir sehen da schon die katastrophale Lage die sich seit Corona überhaupt nicht verbessert hat. Wir brauchen Sicherheit und Unterstützung um die Kurve zu steuern, Kunst ist nicht kurz, alle werden davon leiden. ALLE.
ErzählZeit
Seit Jahren leisten die Programme der Initiative Kulturelle Bildung stärken! hervorragende Arbeit in den Bildungseinrichtungen der Hauptstadt. Sie schaffen Raum für kreative Entfaltung und fördern die kulturelle Teilhabe – stadtweit. Jährlich erreichen sie tausende Kinder und Jugendliche, setzen die Ziele des Berliner Rahmenkonzepts Kulturelle Bildung um und tragen entscheidend zur Vernetzung von Kunst und Bildung bei. Die geplanten Kürzungen bedeuten drastische Einschnitte in für die Akteur*innen und gefährden nicht nur die Existenz zahlreicher Programme, sondern könnten auch die wertvollen Strukturen der Berliner Kulturellen Bildungslandschaft langfristig zerstören. Eine Streichung oder auch nur eine Reduzierung der Mittel wäre ein unverzeihlicher Fehler – Die Sicherung, mehr noch, der Ausbau der Angebote der Kulturellen Bildung muss endlich eine politische Priorität werden.
Fritz-Kirchhoff Schauspielschule „Der Kreis„
Jetzt stehe ich mit Schauspielschule da, aber in der freien Szene, eine Stütze für viele, gibt es für mich 0,0 Jobs.
HAU Hebbel am Ufer
Die Auswirkungen sind noch nicht konkret zu benennen, solange weder Politik noch Verwaltung mit uns gesprochen hat bzgl. der Umsetzungsvorgaben dieser Kürzungen. Aber sicher ist, dass wir unser Programmangebot radikal reduzieren müssten, den an den Fixkosten können wir nichts einsparen, da bestehen langfristige Verträge.
Das HAU ist eng mit der Berliner Freien Szene verbunden, auch auf unser Möglichkeiten Anträge zu unterstützen, schlagen die Einsparungen unmittelbar durch. Wenn jetzt auch noch Fördertöpfe der ohnehin schon prekär arbeitenden Freien Szene weiter schrumpfen, hat das einen Domino-Effekt zur Folge und bedeutet das Aus für die Arbeit vieler Künstler*innen. Insbesondere macht uns auch der Blick auf 2026 und 2027 große Sorge; eine Verstetigung der oben genannten Kürzungssumme ist nicht leistbar, insbesondere wegen der sich gegenseitig verstärkenden Effekte von Projektförderungsunterfinanzierung, institutioneller Unterfinanzierung und wegfallender Bundesfinanzierung.
Literaturforum im Brecht-Haus
Wegfall des Programmetats für Lesungen und Buchvorstellungen um 50%. Hinzu kommt der Wegfall eines Mitarbeiters für zukunftsweisende Digitalisierung (Resilienzdispatcher).
Was ästhetisch gilt, stimmt auch politisch: Literatur ist irreduzibel!
MINCE e.V.
Unsere Existenz als Verein ist bedroht! Wir haben mit der Durchführung dieses großen Projektes für 2025 geplant und keine weiteren Förderungen für andere Projekte beantragt. Nun können wir unsere Miete ab Januar nicht mehr decken. Die diskriminierungskritische Jugendkulturarbeit die wir sonst durchführen ist nun nicht mehr möglich. Regelmäßig stattfindende Workshops, Tanzsessions, Bühnenshowformate, Tanzbattles. Unsere Zielgruppe sind marginalisierte junge Menschen aus Berlin und vor allem Neukölln. Wir erreichen damit wöchentlich knapp 50 Menschen mit regelmäßigen Angeboten und bei größeren vierteljährlichen Veranstaltungen 250 bis 4000 Teilnehmende.
„Auch wir sind von den Kürzungen der Berliner Koalition, die am Dienstag veröffentlicht wurden sowohl schockiert als auch existenziell getroffen❗
In Zeiten von gesellschaftlicher und politischer akuter Gefährdung für marginalisierte Menschen wird nun bei der vor allem JETZT SO WICHTIGEN Kultur- und Jugendarbeit extrem gekürzt – und das besonders auffällig in den Bereichen Diversität, politische Bildung und Antidiskriminierung❗
Wir haben unsere diskriminierungskritische Jugendkulturarbeit seit 2017 mit verschiedenen Projektförderungen finanziert. Aus Förderprogrammen, die nun fast alle vor dem Aus stehen oder nur noch so wenig Budget zur Verfügung haben, dass kaum noch Projekte umgesetzt werden können. Mit so vielen verschiedenen Projekten pro Jahr haben wir uns bis über die Erschöpfungsgrenze überarbeitet. Daher haben wir uns für die Jahre 2024 und 2025 im Rahmen der Jugendkulturinitiative auf nur ein großes Projekt konzentriert, welches wir 2024 als „Spot On!“ „in Kooperation mit dem Heimathafen Neukölln sehr erfolgreich begonnen und durchgeführt haben. Dieses Projekt soll nun in 2025 um 100% gekürzt werden❗
🛑 Das bedeutet für uns, dass wir ab Januar unsere Arbeit nicht mehr durchführen können und unsere laufenden Kosten als Verein nicht mehr bezahlen können. Wir können junge Menschen nicht mehr empowern, fördern, Bühnen bieten und keine Künstler:innen der freien Szene mehr beschäftigen. Allein in 2024 waren das ca. 3600 junge Teilnehmende und 270 Künstler:innen! Und damit sind wir nicht allein!
Musicboard Berlin
Die Förderung des Musicboards (MB) geht zu 3/4 als Fördermittel zur Weitergabe und Serviceangebote an die freie Musikszene. Die laufenden Betriebskosten des MB können kaum weiter gekürzt werden und bestehende Kooperationen können nicht einfach beendet werden. Die Kürzungen würden sich daher überproportional auf die Förderprogramme für Musiker*innen, Veranstaltende, Musikspielstätten, unabhängige Labels und andere kleine Kultur- und Kreativunternehmen auswirken. Das bedeutet konkret, dass wir hier mit rund 50% weniger Mitteln rechnen müssen, statt 135 Förderungen – Projektförderung, Labelförderung, Tourförderung, Stipendien, Residenzen – kann dann nur noch die Hälfte vergeben werden. Die Förderquote bei der Projektförderung beträgt rund 20%, bei Stipendien/Residenzen sind es nur rd. 5%. Auch die würden sich halbieren. Gegenüber 2019 ist der Etat des Musicboards um 20% angestiegen – das entspricht gerade einmal der kumulativen allgemeinen Preissteigerung. Hier brechen Strukturen weg.
QuerKlang gUG
Da wir bereits mit der aktuellen Förderung nur 1/3 der eigentlich notwendigen Mittel erhalten, ist ein Strukturerhalt sehr unwahrscheinlich.
Im Zuge der aktuell angekündigten Mittelkürzungen durch den Berliner Senat soll der Etat der Programme der Kulturellen Bildung in Schule und Kita (1010/ 68585 und 1010/ 68425) um fast 18% gekürzt werden. Wenn die Kürzungen im Haushalt in dieser Form bestehen bleiben, wird ein großer Teil der gewachsenen und wichtigen Strukturen der Berliner Kultur- und Kulturellen Bildungslandschaft nachhaltig und zum Teil unwiderruflich zerstört werden. Bereits die Stagnation der bisherigen Förderungen stellte auf Grund erhöhter Kosten für Personal, Honorare, Mieten und Materialien, eine faktische Kürzung der Programme dar. Eine neuerliche Reduzierung der Budgets bringt diese an die Grenzen des Möglichen: Projekte und Honorare müssen massiv gekürzt, Stellen gestrichen werden. Mitarbeiter*innen und freie Künstler*innen verlieren ihre Existenzgrundlage. Für einige der Programme bedeuten 18% Kürzungen de facto ihre Abschaffung.
RAW Soziokulturelles Projektezentrum (SKPZ) Berlin-Friedrichshain
Wir sind durch die Gefährdung der Kulturraum gGmbh direkt betroffen, da diese auch für das RAW SKPZ als Träger in den Verhandlungen über den B-Plan für das RAW-Gelände vorgesehen war. Es kann bedeuten, dass der Eigentümer nun unsere Miete für unseren Einzelmietvertrag ab Januar noch weiter erhöht, dann wären unser Projekt tRaumstation mit Proberaum und Musikschule mit ca. 50 Kundinnen/Woche extrem gefährdet, da voraussichtlich die Preise nicht mehr bezahlbar wären. Der Vertrag läuft zum 31.12.2024 aus und dies sollte in den Verhandlungen mit Bezirk, Eigentümer und Träger abgewendet werden.
Schaubude Berlin
Mit Kürzungen in dieser Höhe fallen alle Mittel weg, aus denen wir unseren Spielplan finanziert haben. Um weiterhin Programm anbieten zu können, stehen wir vor einer Umstrukturierung unseres Produktionshauses. Die Vorstellungszahl und Produktionszyklen werden wir unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausdünnen müssen: Im Kinder- und Familienprogram wird es in der Sommerhälfte kein Programm mehr geben, im Abendprogramm müssen wir auf drittmittelgeförderte Premieren und Festivals reduzieren. Die Mindestgagen für freie Künstler*innen werden wir nicht halten können. Unsere Einnahmen müssen wir über Ticketpreise, Vermietungen und Fremdaufträge erhöhen.
Von den Kürzungen in Höhe von 15%, die für unsere Trägerin, die Kulturprojekte Berlin GmbH, angekündigt wurden, sind wir in der Schaubude Berlin direkt betroffen. Eine Kürzung in dieser Höhe würde unsere Struktur als international ausgerichtetes Produktionshaus irreparabel beschädigen und wir könnten unserem Auftrag als Ankerinstitution für freies Berlin Figuren- und Objekttheater nicht mehr nachkommen.
TanzZeit e.V./TANZKOMPLIZEN
Die drohende Kürzung der Förderung von Präsentations- und Produktionsorten TA9 bedeutet gravierende Einschnitte für das silent green und die Berliner Kulturlandschaft. Mit der Förderung konnten wir unser Profil als Kulturort stärken, mit über 150 T Besucherinnen/Jahr und > 250 Kulturveranstaltungen. Ohne diese Mittel wächst der betriebswirtschaftliche Druck, und die Refinanzierung muss noch stärker durch geschlossene, kommerzielle Vermietungen stattfinden, die bereits jetzt 50% unserer Kapazitäten einnehmen. Günstige Mieten für Kulturprojekte wären nicht mehr möglich. Künstlerinnen, Publikum und die Berliner Kreativwirtschaft, die von unseren Produktionen und der Einbindung zahlreicher Gewerke profitieren, verlieren einen wichtige Spielstätte. Das silent green zeigt, wie geringe öffentliche Mittel und privatwirtschaftliches Engagement zusammen eine große kulturelle und gesellschaftliche Wirkung erzielen können. Eine drohende Kürzung um 50 % würde uns unverhältnismäßig hart treffen.
Wir fordern die Berliner Politik auf:
Die geplanten, existenzbedrohenden Kürzungen zurückzunehmen.
Langfristige Perspektiven für Berliner Kulturinstitutionen zu schaffen.
Den Wert von Kunst, Kultur und sozialer Teilhabe als integralen Bestandteil Berlins anzuerkennen und zu stärken.
Gemeinsam für ein offenes, vielfältiges und zukunftsgerichtetes Berlin einzustehen.
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Bei der Kürzung wurde nicht berücksichtigt, dass die ZLB auch Treuhänder und Verwalter der Zuschüsse für den Verbund der Öffentlichen Bibliotheken (VÖBB) ist Die Kürzungen werden also auch die Bezirksbibliotheken mit betreffen. Es geht um massive Reduzierung von Service- und Öffnungszeiten, Reduzierung der Angebote zur Digitalen Teilhabe, Reduzierung der aktuellen Medienangebote und erheblichen Personalabbau.
Die Rahmenbedingungen für das Management unserer Stiftung für die nächsten Jahre bleiben völlig unklar. Zu befürchten ist, dass der Senat auch weiterhin großzügige Tarifabschlüsse verhandelt, die Stiftungen mit der Umsetzung aber alleine lässt Wird er Steigerungen der Gebäudekosten, die in der städtischen Immobiliengesellschaft verwaltet werden, weiterhin ausgleichen oder auch hier indirekte neue Kürzungen bei den Kulturstiftungen auslösen? Ist dem Senat klar, welcher enorme Personalabbau mit diesen Kürzungen in unserer Stiftung verbunden ist und dass sich dieser nicht kurzfristig managen lässt? Ist der Senat bereit, verlässliche zeitliche Korridore mit entsprechenden Rahmenbedingungen mit den Stiftungen zu vereinbaren, damit diese eine Anpassung an veränderte Zuschüsse überhaupt gestalten und so die Erfüllung ihres kulturellen Auftrags retten können? Konsolidierung ohne Konzept führt nur in ein Abriss-Szenario. Ein Konzept können wir beim Senat aber gerade nicht erkennen.
Annette H., Soloselbstständige Künstlerin
Mein geplantes Kunstprojekt kann nun 2025 nicht umgesetzt werden. Die anderen institutionellen Förder*innen fördern nur wenn die Gesamtsumme steht, da sonst das ganze Projekt und dessen Umsetzung gefährdet ist. Also bin ich nächstes Jahr quasi arbeitslos. Die Projektvorbereitung hat 6 Monate gedauert.
Wie ich sind viele soloselbstständige Künstler*innen durch die Kürzungen in ihrer Existenz bedroht. Ich bin keine Berufsanfänger *in, sondern eine auch international anerkannte künstlerische Position, die in namenhaften Ausstellungshäusern ausstellt. Unseren – trotz beruflichen Erfolgen – immer auch prekäre Arbeitssituationen wird nun der Boden unter den Füssen weggezogen – von angekündigten Atelierschließungen ganz zu schweigen. Wir, die Kulturarbeiterinnen haben maßgeblich zu der Attraktivität Berlins beigetragen, sind mit dem Tourismus zusammen der wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Stadt. Die Kürzungen und Streichungen werden die Stadt irreparable auf vielen Ebenen ärmer machen. Und die Künsterinnen in teure Sozialsystheme drängen.